Jedes Jahr Belcanto-Oper mit Pfiff: Das Klassik Festival Schloss Kirchstetten

Der Ort Kirchstetten liegt in der Gemeinde Neudorf im Weinviertel. Recht beschaulich sollte man meinen. 1999 wurde hier mit Oper gestartet und dem Weinviertler Barockschloss Kirchstetten gehörig Leben eingehaucht. Ab dem Jahr 2015 – also schon 10 Jahre her – orientierte man sich hin zur Belcanto-Oper und spielt Rossini und Donizetti, bevorzugt eine farsa (Farce, Posse), die im frühen 19. Jahrhundert in Neapel oder Venedig angesiedelt ist. Sie kann einen derben, erotischen, ernsten und nachdenklichen Charakter haben. Meist ist sie einaktig.

In Kirchstetten nimmt man sich dieser Form an. Humoristische Einlagen, die nicht verstaubt wirken, sondern heutig, einfach aus dem Alltag gegriffen. So wird das Publikum komödiantisch neugierig gemacht. Es ist, was es ist. Das kontrollierte Chaos spielt auf gute Art und Weise mit. So fällt einmal ein Keks zu Boden, wenn in Rossinis Werk „L‘ occasione fa il ladro“ 2025 Don Parmenione (Emilio Marcucci, Stammgast und beliebter Sänger in Kirchstetten) und sein Diener Martino (Antoine Amariutei, ein toller Newcomer!) ein Mahl im Kerzenschein bei Gewitter einnehmen und sich Martino so fürchtet, dass es schon wieder lustig ist.

Wichtig und richtig: Das Maß an gesundem Klamauk und eindrücklicher Gesangsqualität aller Beteiligten wird eingehalten. Es ist manchmal viel, aber nicht zu viel. Diesen schmalen Grat zu wahren, dass es nie lächerlich wirkt, ist ein großer Verdienst des Teams rund um Intendant Stephan Gartner, der auch immer als ein Teil der Inszenierung auftritt, wenn er seine Gäste begrüßt. („Sie klatschen – dabei wissen Sie noch gar nicht, was ich machen werde!“) So trug er 2025 passend zum Opernschauplatz „Wilder Westen“ einen Sheriffsstern.

Die farsa – „burletta per musica“, die „Gelegenheit macht Diebe“ von Rossini ist, spielt ursprünglich in Neapel. Regisseur Richard Panzenböck, (was der sich immer einfallen lässt!) verlegt das Stück zu den Cowgirls und -boys. Und das funktioniert für die Location und die Ausführung sehr gut! Zwei der Cowboys mögen sich wie in „Brokeback Mountain“ sogar sehr, ja begehren sich offensichtlich! Theo Colarusso, der „nur“ eine Sprechrolle hat, fährt mit voller Power.

Die engagierte Besetzung gibt ihr Allerbestes, die recht einfache Verwechslungs-Komödie überzeugend darzustellen. Teils mit vollem Körpereinsatz. Da wird Wasser verspritzt, da werden Verhütungsmittel geworfen, Koffer vertauscht, Türen rücken wie durch Geisterhand von selbst heran, es gibt Kakteen, ein paar Stühle, ein Murmeltier, das das Geschehen beobachtet. Beim Bühnenbild durfte sich Petra Fibich-Patzelt „austoben“. Ihren Beitrag zum Gelingen leisten Almasa Jerlagic (Kostüm) und Susanne Rauherz (Maske).

Flotte Cowgirls mit Hüten, Fransen und Kleid, cooler Blick und koloraturgewandte Stimme(n) von Sevana Salmasi (ebenso oftmals zu Gast in Kirchstetten) und Ana Cvetkovic als Ernestina und Berenice – Bedienstete und Braut. Oder doch andersherum? Aber keine Sorge, am Ende löst sich alles auf und es siegt Liebe, Liebe und the Wild, Wild West, Baby! Andres Alzate und Marco Trespioli sind die Cowboys, die oft handlungstreibend wirken. Auch sie gefallen!

Das alles wird lebendig durch einen Klangteppich, den der immer mitdenkende, immer mitmachende, immer mit vollem Körpereinsatz dabei aufgehende Dirigent Hooman Khalatbari für die Agierenden auslegt. Beeindruckend, wie er mitspielt! Ein Sonderlob gebührt ihm und dem Orchester, den Virtuosi Brunenses, die in kleiner Besetzung aber ganz groß aufspielen!

Am Aufgang zum Spielort im Schloss, zum Maulpertsch-Saal, wurde man letztes Jahr bei „I pazzi per progetto“ oder „Die absichtlichen Narren“ von Donizetti von „Darlemont“- Leiter des Irrenhauses – Darsteller Szabolcs Hamori begrüßt – eine ähnliche Aktion wie zum Beispiel ein „Howdy“ auf der Treppe blieb aus.

In Kirchstetten wird mit einem kleinen feinen Team unter dem freundlichen und engagierten Intendanten Gartner und Produktionsleiterin Eva Drnek stets ansprechend-witzige Belcanto-Oper gespielt. Im Eingangsbereich des Schlosses gibt es auch tolle Bewirtung mit Kaffee, Mehlspeisen, Brötchen und Festspiel-Wein (dieses Jahr Welschriesling aus dem Weingut Heger in Poysdorf) und „Darf’s ein bisserl mehr Humor sein?“ ist hier ein schönes Motto.

Man ist gespannt auf das nächste Jahr, wenn es Rossinis „Heiratswechsel“ oder eben „La cambiale di matrimonio“ gibt, den er als 18-Jähriger in Venedig verfasst hat.

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