Sterben im Schoss der Mutter bei „Lucrezia Borgia“ (G. Donizetti) im Teatro Maggio Musicale Fiorentino

Ein Melodramma in einem Prolog und zwei Akten von Felice Romani – so präsentiert sich Gaetano Donizettis Werk um die titelgebende „Lucrezia“. Das Teatro Maggio Musicale Fiorentino zeigt in einer modernen Inszenierung mit vielen Schwarz-Weiß-Elementen (gestaltet von Alberto Beltrame) die Geschichte der 1480 geborenen, unehelichen Tochter des späteren Papstes Alexander VI mit dessen Geliebter. Die Oper selbst bedient sich einer frei erfundenen Version der Lebensgeschichte von Lucrezia Borgia.

Die bemitleidenswerte Frau, die sich trotz schwieriger Lebensumstände durchgeschlagen hat und jedoch selbst nach Rache dürstet, wird luxuriös im Sinne des Belcanto von der australischen Sopranistin Jessica Pratt stimmlich gestaltet. Sie ist alleine mit ihrer Bühnenerscheinung, die apart und doch so durchschlagskräftig wirkt, gesegnet. Sie beherrscht die Rolle wie die Bühne wirklich! Und das kann man beileibe nicht immer von allen sagen. Ihre leisen Töne sind ebenso intensiv, rund und wunderschön wie auch Ausbrüche gut und klug gestaltet werden.

Ihr Hauptmann Gennaro, den sie schlafend vorfindet und der fasziniert von ihr ist, als er erwacht, ist hier der mexikanisch-amerikanische Tenor und „Operalia“ 2011 – Preisträger René Barbera. Die beiden harmonieren sehr gut, man nimmt ihnen den Verlauf der Geschichte ab. Lucrezia, die mit Don Alfonso, Duca di Ferrara verheiratet ist, muss so Einiges erleiden. Mirco Palazzi gibt der Rolle ebenso ein gewisses Profil, auch wenn die Ausstattung – etwa das karge, dürftige Ehebett, das keinen Prunk ausstrahlt, nicht so mithalten mag. Marco Alba kümmert sich um die nicht sehr vielfältig erscheinenden Lichtverhältnisse.

Einen guten Eindruck hinterlässt der Maffio Orsini der Laura Verrecchia – offenbar mit Kurzhaarperücke und energisch ihren Standpunkt darlegend. Sie dominiert im Rampenlicht öfters das Bühnengeschehen und spart nicht mit „‚Weisheiten“. Sie bringt ein tolles „Brindisi“ in Form von „Il segreto per essere felici“ mit. Homoerotische Begegnungen und Trunkenheit inklusive, die der Regie von Andrea Bernard, ein aus Bozen stammender Architekt und Regisseur, geschuldet ist. Er schafft auch mannshohe Türen in Schwarz-Weiß an, sowie einen Kirchenaltar der Borgia und eine Massageliege, wo zu fortgeschrittener Stunde sich jeder gläubige Katholik am liebsten eine Augenbinde zugelegt hätte! Elena Beccaro ist für die Kostüme verantwortlich und stattet die handelnden Personen modern aus, Lucrezia meist in weiß oder pastellpinkem Kleid oder rotem Damen-Kostüm, Gennaro kann auch Uniform oder Anzug tragen.

Lucrezia steht auch einmal im Verlauf der Geschichte vor umgekippten Kleinkindwippen als Idee der Regie. Ihr Hauptmann will im Mutterschoß entschlafen, was am Ende auch der Fall ist. Hier ist man bei der Tradition geblieben. Die Frage, ob sie beim ersten Zusammentreffen, wo Gennaro schläft, spürt, dass er ihr Sohn ist, bleibt inszenatorisch auch nicht das Einfachste zu erklären.

Am Pult des Orchester des Teatro Maggio steht Giampaolo Bisanti aus Milano, der neben dem Dirigat auch Klarinette und Klavier beherrscht. Sein Schwerpunkt liegt auch praktischerweise auf italienischer Oper, so wie er die Musiker auch immer wieder anleitet. Als Maestro del Coro ist Lorenzo Fratini aus Prato, der auch Komposition studiert hat, eingesetzt, wo man schon bei der Introduktion hörbare Akzente setzt.

Jessica Pratt dominiert auf jeden Fall diese Aufführung, auch ihre Mitspieler(in) können in ihrer Rollengestaltung – auch Laura Verrecchia mit schelmischen Anklängen – sehr gefallen.

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