Die berühmten Wiener Philharmoniker in ihrer Besetzung gaben sich bei ihrem traditionellen Sommernachtskonzert (welches oft in strömendem Regen stattfinden musste) die Ehre. Das Wetterglück war diesmal auf ihrer Seite, und auch ein Feuerwerk bahnte sich seinen Weg in den Himmel. Dirigent Semyon Bychkov hatte Freude zu musizieren. Das „Stage Design“ wurde von Volkstheater-Bühnenbildner Hans Kudlich durchgeführt.
Eines der Konzert-Highlights war das „Konzert für 2 Klaviere und Orchester in d-Moll“ von Francis Poulenc. Dieses ist von asiatischer Gamelan-Musik und Tönen W.A. Mozarts inspiriert. Gespielt von Katia und Marielle Labéque. Marielle ist mit dem Dirigenten verheiratet. Die beiden Französinnen bewiesen virtuose Tastenkunst! Die Eine gilt als eher introvertiert und ruhig im musikalischen Ausdruck, die Andere als temperamentvoll und extrovertiert. Beide jedoch beherrschen auf der Klaviatur selbstverständlich einen jeden Ausdruck. Elegant und verspielt eröffnen sie das Werk mit dem „Allegretto ma non troppo“, das sie sehr zieren und ausschmückend darbieten. Das „Larghetto“ klingt bezaubernd, wenn manchmal eine Atonalität durchdringt. Hier ist Spielraum für die asiatische Gamelan-Musik, die Poulenc hier auf eine sanfte, andachtsvolle Weise einbettet. Das „Finale: Molto Allegro“ klingt mehr nach Mozart. Bevor die Damen zum gewaltigen, orchestergestützten Finale ansetzen, klingt die Trommel noch einmal sehr dominant durch.
Eine kleine, nicht minder explosive Zugabe geben die Schwestern Labéque bei Camille Saint-Saens Finale zum berühmten „Karneval der Tiere“. Er schrieb ihn 1886.Wer hätte dieses berühmte Werk nicht schon einmal in der Schule gehört, das „Aquarium“ gehört zweifelsfrei zu den Meisterstücken aus diesem Karneval. Die Querflöte ist „atemlos“, schnell und berauschend geht es durch die Sommernacht. Es kamen sogar so viele Besucherinnen und Besucher, dass das Gelände gesperrt werden musste.
Mit dem Komponisten Maurice Ravel setzte Bychkov ein eher unbekanntes sowie ein überaus bekanntes auf das Programm des diesjährigen Sommernachtskonzertes. Mit der „Suite Nr. 2 aus dem Ballett Daphnis et Chloé“ ließ er Blasinstrumente Naturstimmen nachahmen. Was mit einem lauen, leisen Frühlingsmorgen beginnt, endet in einem exstatischen, wilden, leidenschaftlichen Tanz, der spür- und hörbar ist. „Leider“ muss mitten in der leisen Morgenstimmung, die von Hörnern begleitet wird, ein Hornist das Instrument absetzen, weil ihn die Nase juckt. Oh je! Auch Kastagnetten kommen zum Einsatz, wieder einmal nach dem „Espana“ von Emil Waldteufel beim Neujahrskonzert 2016. Wunderbar mystisch und träumerisch ruhig geht es auch bei diesem Werk zu. Gegen Ende wird es aber dann schon etwas verstörend und unklar.
Dann, aber dann: Das „Ballett für Orchester“ von Ravel, und ? Weiß der geneigte Leser, worum es sich handelt? Natürlich: Um den „Bolero“. 169 mal schlägt die kleine Trommel dazu den selben Rhythmus. Und jedes Instrument stellt sich prestigeträchtig vor. Es wird lauter und intensiver, man hat das Gefühl, die Musiker würden mit chirurgischer Exaktheit versuchen, dem Bolero auf den Leib zu rücken. Dumpf und hell, fließend und straff. Die Pauke ist hörbar motiviert. Bychkov bestätigt mit lebhafter Mimik einer mutmaßlich verunsicherten Posaune den tollen Einsatz. Die Trommel tritt nicht, wie bei manch anderen Interpretationen in den Hintergrund, sondern wird immer mächtiger.
Als 1. Zugabe bedient sich das Orchester aus der Operetten-Trickkiste und holt einen schmissigen, launigen „Can-Can“ aus Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ hervor. Lachende Violinisten und opulente Feuerwerkskörper sind hier zu sehen.
Die 2. und letzte Zugabe ist ganz klassisch „Wiener Blut“, der große Walzer, verbunden mit der gleichnamigen Operette von Strauss Sohn. Mit ein bisschen viel Bass wird er interpretiert. Tanzende Paare aus dem Publikum bahnen sich ihren Weg durch selbiges, sogar mit Rucksäcken auf dem Rücken wird getanzt.
Ein stimmungsvolles Konzert ganz nach französisch-spanischen Motiven mit einer Prise Wiener Charme.