Man kennt das. Ein jeder Mensch hat Lieder, die ihn oder sie vielleicht schon seit Kindheit begleiten. Beigebracht, erlernt? In sie verliebt gemacht, vergessen, verloren, verlegt, erinnert, glückselig wieder gelauscht? Zärtlich oder forsch abgespielt. Klassisch, jazzig, poppig oder rockig. Manch eine(r) braucht sie, manch eine(r) sehnt sich danach, wieder andere mögen es nicht, beiläufig Musik zu hören. Wenn man denn wieder den alten Nietzsche bemühen will: Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Wer stimmt zu?
Wissenschaftlich gesehen…
Musik hat unbestritten etwas, was den Menschen anzieht. Die Wissenschaftler rund um Herbert Bruhn untersuchten oftmals schon die Rezeption der Musik. Auch Hirnforscher Manfred Spitzer machte sich diese Thematik zu Eigen. Musik ruft Erinnerungen wach, das ist eine Funktion. Schon mal gesehen, schon mal gehört? Wie und auf welche Weise verarbeitet? Aber die Verarbeitung kann selbst gar nicht gesteuert werden. Sie erfolgt großteils unbewusst. Was man bewusst hört, vergisst man nicht. Ist das wahr? Man kann vergessen. Klarerweise ist eine Leistung des menschlichen Gedächtnisses auch das dazugehörige Erinnern.
Das Lieblingslied
Wenn man sich ans Lieblingslied erinnert, kommen von ganz alleine Gefühle in den Körper und die Seele (sofern man sich dem Seelenbegriff zuwendet). Eine andere Frage: Kann man überhaupt ein Lied zu seinem Lieblingslied erklären? Oder muss sich das Lieblingslied in eine Playlist unterordnen, mit anderen Liedern um die Gunst des Zuhörers streiten? Ist es am Anfang oder am Ende eingeordnet, oder auch in der Mitte der Liste. Spielt man es in Endlosschleife oder doch nur ein- oder zweimal? Verliert sich die Qualität des Empfindens durch das oftmalige Hören? Sollte man ein besonderes Lied oft hören oder eher selten, um seine Besonderheit zu erhalten? Nur zu besonderen Anlässen? Fragen über Fragen.
Oder verfügt man kognitiv gar über mehrere Speicherplätze für mehr Lieblingslieder, Sonaten, Walzerstücke, Popsongs? Übervorteilt man eines, und lässt das andere weg oder gibt man ihm eine schlechtere Note? Soll man mehrere Lieder nebeneinander haben? Jedes kann seinen eigenen Reiz, seine Stilistik haben und besondere Stimmungen hervorrufen.
Musik als etwas Privates
Es kann – so wie vieles andere auch – passieren, dass man eifersüchtig auf Musik reagiert, die man öffentlich hört. Frei nach dem Motto: „Dieses Lied gehört nur mir!“ (Und da muss man eigentlich gar nicht das Musical Elisabeth gehört haben). Wenn es dann öffentlich erklingt, fühlt man sich vielleicht sogar „angegriffen“ und verspürt den Wunsch, sich verteidigen – oder das besagte Lied – verteidigen zu müssen. Wenn man es für sich im Alltag hört, beansprucht man es vielleicht. Das ist meine Melodie, das ist mein Gesang, mein Lied. Sogar im Sprachgebrauch macht sich das mitunter bemerkbar. Also kann man sich getrost die durchaus auf Englisch rhythmische Formulierung denken: Can you own your own music? Damit soll nun nicht gemeint sein, dass man Stücke selbst geschrieben hat. Nein. Stücke von anderen Komponisten, Interpreten, sei es Johann Sebastian Bach, sei es Adele (nein, nicht aus der „Fledermaus“ von Strauss, sondern die britische Pop-Ikone) kann man für sich in Anspruch nehmen, sie mit besonderen Ereignissen verbinden. Lieder von Paaren – a lá „Sie spielen unser Lied“, sind auch verankert. Da reagieren Verliebte sicherlich auch „eifersüchtig“. Es ist schließlich ihr Lied, das auch andere Paare hören können. Aber wer vermag zu sagen, dass nicht ein Werk wie „Something Stupid“ oder auch „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ oder „Sweet Home Alabama“ oder Schumanns „Träumerei“ auch DAS Lied von anderen sein kann? Ist doch durchaus möglich. Aber egal ob Bruno Mars oder Vittorio Grigolo. „Wurscht“ ob Ariana Grande oder Anneliese Rothenberger. Jede(r) findet was er/sie braucht.
Musik als Antrieb für berufliche Tätigkeiten
Gar nicht wenige wollen und sollen Musik auch in jenem beschriebenen Sinne nutzen, sich zu stimulieren und auf kommende Aufgaben und Tätigkeiten vorzubereiten. Eine schwierige Verhandlung in der Chefetage? Man nehme seine Mini-Jukebox. Ein zweistündiger, fordernder Theaterabend in Haupt- oder Nebenrolle? Man bediene sich seiner Kopfhörer und schließe sich ein, verlasse sich auf seine Intuition. Was für ein Rezept. Musik gibt dem Menschen Ruhe, Aktivierung, Entspannung, Vertrauen, Rausch, Denken, Fühlen, Konzentration. Was gibt es Besseres? Wenn allerdings Opernsänger vor dem „Recondita Armonia“ noch schnell „Highway to Hell“ hören, wo soll denn das enden? Lustig? Nein, das eine kann das andere bedingen, hervorbringen. Zumindest die Energie ist übertragbar, wenn nicht der Musikstil. Das wäre dann doch zuviel des Guten.
Im Auge behalten sollte man stets: Für manche Menschen ist ein Lied Privatheit, für manche Öffentlichkeit. Ein sensibler Umgang mit den jeweiligen Referenzrahmen und nicht ein: „Was hörst Du denn Grauenhaftes?“ kann auch Wunder bewirken. Respect the Music of People.