Du magst das Universum haben, doch überlasse Italien mir! Giuseppe Verdis „Attila“ konzertant im Musikverein für Steiermark (Graz)

„Attila“ ist nicht häufig auf (österreichischen) Spielplänen zu finden. Es handelt sich um die neunte Oper von Giuseppe Verdi und seine dritte Choroper nach Nabucco und I lombardi. Dem Chor fällt hierbei eine Kommentarfunktion zu. Der Hunnenkönig, heute schon mehr Legende als historische Figur, will unbedingt Rom erobern.

Zuvor aber die Stadt Aquileia in der Region Friaul-Julisch Venetien, bekannt als wirtschaftlich bedeutende Stadt des Römischen Reiches. In den Jahren 452 bis 453 spielt sich dort Grausames ab. Aquileias Herrscher, gleichzeitig Vater der Odabella, wird von Attila getötet. Daraufhin entspinnt sich die Handlung des Werkes, welche auf der tragischen Geschichte „Attila, König der Hunnen“ von Zacharias Werner basiert. Die Librettisten waren Temistocle Solera und Francesco Maria Piave, der nach Soleras Tod die Schrift vollendete.

1846 wurde das Dramma lirico von Verdi im Teatro La Fenice uraufgeführt. Es hat, wie es scheint, bis heute nichts an seinem Reiz eingebüßt.

Schauplatz der als „Festkonzert“ betitelten Aufführung ist an einem schönen Tag im Mai der Musikverein für Steiermark, mitten in der Grazer Innenstadt. Zu der begleitenden „Power-Point-Präsentation“ über den Köpfen der Ausführenden mag man stehen, wie man möchte. Sollte sie eher als Erklärung oder aber als Übertitel-Geber dienen? Ein besonders prominenter Name ist auf der Besetzungsliste zu finden. Erwin Schrott singt die Titelrolle des Königs der Hunnen, der über Ungarn bis in die Steiermark gezogen ist. Der uruguayische Bassbariton zieht gewiss auch Fans an, die das Werk nur seinetwegen sehen möchten. Das ist ein Aspekt. Er sieht gut aus, ist agil, aussagekräftig. Die gewaltige Aufmachung mit Chor und ein mitreißender Handlungsstrang stehen im Zentrum.

Als Gegenspielerin Odabella fungiert Maria José Siri, bekannt aus der Wiener Staatsoper. International im lyrischen Fach erfolgreich, ebenso aus Uruguay stammend, setzt sie in diesem Werk glanzvolle Höhepunkte. Ihre Bühnenpräsenz kommt ihr dabei zugute. Ihr fällt am Ende die Rolle der Mörderin, der Rächerin ihres Vaters, zu. Ihr geliebter Foresto, gesungen von Fabio Sartori, Tenor aus dem italienischen Treviso, braucht ebenso ihre Zuwendung. Sartori fällt angenehm und wohltönend durch eine perfekt geführte Stimme auf. 

Ein potenter Römer ist Feldherr Ezio (lateinisch Aeticus), welcher vom rumänischen Bariton aus Cluj, George Petean, gespielt und gesungen wird. Mit seinen Forderungen stößt er bei Attila aber nicht sonderlich auf Gegenliebe, wie Schrott und Petean dem Publikum (darunter auch die „Amici del Belcanto“) versuchen darzustellen. Immerhin wird ein Waffenstillstand vom Kaiser (Valentinian) mit Attila geschlossen.

Mit diesen stimmgewaltigen Persönlichkeiten und dem Chor des Musikvereins Graz (ein besonderes Lob geht an diesen für die so gefühlvolle Darbietung, etwa bei den „frommen Frauen“, die Choreinstudierung liegt bei Bernhard Schneider) sind die Zutaten für die konzertante Aufführung des Dramma lirico von Verdi also weitgehend festgelegt. Es dirigiert Francesco Ivan Ciampa, ein aufstrebender Italiener, und ehemaliger Assistent von Antonio Pappano, der neben der Wissenschaft des Taktstocks ebenso Flöte und Klavier gelernt hat. Man merkt, wie enthusiastisch er den ganzen (Klang-)Körper im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Das Orchester kommt aus Slowenien, mit Namen das RTV Slovenia Symphony Orchestra, ist eingespielt und produziert einen ausgewogenen Klangteppich, der die Ausführenden stets begleitet. Donnernde Takte sind genauso angenehm wie auch die leisen.

Kleinere Rollen wie Uldino (ein Sklave Attilas) und Leone (Bischof von Rom) haben Martin Fournier und Dimitri Fontolan.

Auf bunte Bänder und Bärte, wie sie die Hunnen der Überlieferung nach getragen haben sollen, wird bei der Ausführung großmütig verzichtet. Abendkleid und Anzug sind stattdessen für die Protagonistin und die Protagonisten angesagt. Lediglich Siri in frischem Grün bringt etwas Farbe ins Geschehen.

Man will die Ausführenden (nicht nur Schrott) im Saal „behalten“. Der Applaus ist nahezu nicht enden wollend. Ein Orkan an Beifalls- und Bravi-Bekundungen bricht los. Auch für jemanden, der der Oper nicht zugetan ist, wirkt dieses Werk wahrlich äußerst attraktiv. Das Ende ist an Dramatik kaum zu überbieten, wenn Odabella Attila „ihrem Vater opfert“. Ah, padre, il sacrificio a te!

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