Das Gut Immling Festival (Festivalgründer ist Ludwig Baumann, Sänger aus Rosenheim) bietet seit 1997 ein anspruchsvolles Opernprogramm. Drei Werke stehen 2025 auf dem Spielplan: „La forza del destino“ von Verdi, „Carmen“ von Bizet und „Manon Lescaut“ von Puccini.
Die Macht des Schicksals, so der deutsche Titel, ist eine Oper in 4 Akten, und wurde hier auf Gut Immling mit deutschen Übertiteln in italienischer Sprache gespielt und gesungen. Man legt sehr viel Wert auf das Schauspiel, und das ist auch klar ersichtlich. So patrouillieren und tänzeln die Sängerinnen und Sänger häufig über die Bühne, zwei faunartige Kreaturen (vermutlich als Dämon und Geist verortet) tauchen immer wieder auf und schwingen die Beine. Nicht immer eine eindeutige Choreographie, die Rebecca Gollwitzer da auf die Bühne bringt. Dass man zu Beginn Steine schleppt, ist noch einigermaßen nachvollziehbar.
Mit Leonora und (Don) Alvaro meint es das besagte Schicksal nicht gut, denn als Liebespaar können sie nicht miteinander sein. Das Kloster, der Krieg, alles stellt sich ihnen in den Weg. Ein gelöster Schuss aus einer Waffe, die Alvaro zu Boden wirft, tötet Leonoras Vater. Die Geschichte ist farbenreich, so waren es auch die Kostüme dieser Aufführung. Verena von Kerssenbrock, Regisseurin und die Schwester der Dirigentin des Abends, Cornelia von Kerssenbrock, sorgt für das Bühnenbild und lässt eine anfangs karge „treppenbestückte“ Bühne lebendig werden durch mehrere Elemente, die aufgestellt oder heruntergefahren werden. Ein „Schicksalsrad“ wechselt sich mit einem überdimensionalen Schwert ab. Kirchliche Elemente werden weitgehend vermieden. Buddhistische Mönche befinden sich in dem Kloster, in das man flieht. Auch führt Verena von Kerssenbrock, die auch schon Musicals gestaltet hat und moderiert hat, bei der Oper Regie.
„Die Welt spielt verrückt, was sind das bloß für Zeiten?“, so ein Mönch. Äußerst farbenfroh werden diese eingekleidet von Lilli Hartmann. So fallen sie auf. Etwas zurückhaltender die Kostüme der Protagonisten. Dafür fällt die Schminke durch Annegret Eyrich schon mehr auf. Gießt Leonora Blumen, soll das schon mit einem eher blässlichen Gesicht erfolgen, da sie auch an dem Punkt der Oper bereits viel durchgemacht hat. Sie fleht um ihren Tod. Schließlich wird sie vom sterbenden Bruder erstochen. Arndt Sellentin steuert ein sehr ausgeklügeltes Lichtdesign – manchmal fast „poppige“ Beleuchtung beim Duell der beiden Herren – bei.
Die Leonora wird mit Stimmschönheit und Präsenz ausgestattet von der mexikanischen Sopranistin Yunuet Laguna, die das Young Artists Programme der Metropolitan Opera durchlaufen hat. Man glaubt ihr, das ist wichtig, in der Rollengestaltung. Sie ist eine sehr gute Leonora, die Nuancen und „starke“ Stellen für sich zu nutzen weiß. Sie kann Szenen auskosten.
Ihr Alvaro ist Ragaa Eldin, aus Kairo und am dortigen Konservatorium ausgebildet, singt in Mainz und Köln. Nicht immer auf voller Linie, aber durchaus passend ist er rollentechnisch und gesanglich unterwegs.
Duell oder Szene mit Leonoras Bruder – Don Carlo gesungen von Stefano Meo, muss er nicht scheuen. Der Italiener singt in Köln, Toulouse oder Montpellier, auch dieselbe Rolle. Er sieht nicht nur gut aus. Er singt auch passabel!
Aus der Masse sticht die Interpretin der Preziosilla, Maria Ermolaeva aus Moskau, aus der Gnesin Akademie, heraus, lebhaft und präsent, laut, schrill, besonders wenn sie ihr kriegsverherrlichendes „Rataplan“ anstimmt – das übrigens sehr lang dauert. Die andere Frage ist, muss man solche Parolen in diesen Zeiten verbreiten? Hätte man nicht in Anbetracht der Weltlage eine solche Passage zumindest überdenken sollen?
Der Sinn von aufblasbaren Flugzeugen (Jahrmarkt-Luftballons), die während der Aufführung beharrlich hin und her geschleppt werden, erschließt sich wenig bis gar nicht.
Der Georgier Giorgi Chelidze mimt den Padre Guardiano, etwas getragen und doch präsent, der Fra Melitone kommt aus den Händen und der Kehle des Tiziano Bracci aus Milano. Noch ein Georgier befindet sich im Ensemble, und zwar als Marchese di Calatrava, Levan Makaridze. Maestro Trabucco spielt der Rosenheimer Lukas Gahabka. Bis in die kleineren Rollen ordentlich besetzt ist diese Produktion.
Cornelia von Kerssenbrock als musikalische Leiterin und Dirigentin des Abends bringt das Orchester zum Brodeln, agiert mit großer Begeisterung.
Es ist mit kleineren Abstrichen ein sehenswerter Opernabend. Man muss etwas Geduld mitbringen, da einige Szenen in die Länge gezogen werden.