Was mit einer Rede von Mario Anzil, Stadtrat für Kultur und Sport in der Region Friuli Venezia Giulia (Friaul Julisch-Venetien) begann, endete mit der Erkenntnis, dass der Name des Prinzen „Liebe“ ist. „Padre augusto, conosco il nome dello straniero!“, Turandot verkündet, dass der Name des Fremden „Liebe“ sei. Jetzt hat sie es „eingesehen“, kann man konstatieren.
Denn die Geschichte um ihre Ahnfrau Louling ist durchaus sehr tragisch, sie soll geschändet worden sein. Deshalb hat sich die erhabene Prinzessin Turandot von jeglicher männlichen Gestalt abgewandt. Jeder, der sie erobern möchte, scheitert an ihren drei Rätseln. Viele versuchen es, enden jedoch „senza testa“, ohne Kopf.
Der namenlose Prinz („Il principe ignoto“), der in Wahrheit „Calaf“ heißt, wird an diesem Abend vor der Villa Gradenigo Sabbatini in Pozzuolo del Friuli von Gustavo Porta (ein argentinischer Sänger, in Italien lebend, an der Wiener Staatsoper ebenso aufgetreten) gesungen. Der erfahrene Tenor fühlt sich wohl in der Rolle, spielt ausdrucksstark, ist „verwandelt“, wenn er von der Prinzessin wahrgenommen wird. Porta legt viel in die Rolle, wird oft von anderen „hochgehalten“. Er setzt alles daran, Turandot zu erobern. Und man weiß es schon, er ist siegessicher: „All‘ alba vincero!“, „In der Morgendämmerung wird der Sieg mein sein!“ Diesen heldenhaften Mut braucht es auch, um die starken und großen Hürden zu überstehen.
Turandot, das ist eine Charakter-Spielerin, stark wie Eisen und undurchdringbar wie Gefrorenes, kein Eispickel erklimmt und durchdringt ihre geistigen Höhen, bis der Prinz ihr eine Wette anbietet. Sie mit ihrem missbilligenden Blick erweicht nicht. Es erschüttert sie zumindest innerlich, als die Sklavin Liú (großartig und hoch intensiv verkörpert von der jungen Gesua Gallifoco – vor ihrer Gesangskarriere spielte sie Querflöte) Selbstmord begeht und selbst unter (eindrucksvoller) Folter den Namen nicht preisgibt. Hier, an dieser Stelle, endet auch Puccinis (letztes) Werk, Franco Alfano, Komponist, vollendete die Turandot schließlich.
Ganz heimlich schleicht sich das Gefühl ein, dass die Prinzessin nicht unbedingt Natasa Kátais (eine ungarische Sopranistin) Lieblingsrolle ist. Ihr Gesang ist zu Herzen gehend, durchdringend, aber bei ihrer Rollengestaltung scheint sie etwas deviant. Manchmal ist das schon schade. Ihre Stimme ist nämlich sehr gut zu hören! Oft wirkt ihr Spiel statisch.
Der ehemalige Tartarenkönig Timur wird gesungen vom Milaneser Bass Diego Maffezzoni, auch Schauspieler und Violinist. Sein Auftritt bleibt im Gedächtnis, ebenso seine Erscheinung. Die Erscheinung des erhabenen Kaisers, „Imperator Altoum“ lässt Volk wie Prinzessin und Prinz aufblicken. Mit exakten Einsätzen, stimmlicher Festigkeit und Güte und einer imperialen Körperhaltung lässt Tenor Alexander Gallee (Doktor der Medizin in Oberösterreich und mit eigenen Festspielen) ganz Peking vor sich erscheinen.
Ebenso groß in Szene sind die drei „Minister“ Ping, Pong und Pang, die oft in Aufführungen bloß „abgekanzelt“ werden. Ping wird hier als „gran cancelliere“, (Kanzler), Pong als „gran cuciniere“ (Koch) und Pang als „gran provveditore“ (Verwaltungsbeamter) bezeichnet. Am meisten kommt Ping (sehr witzig und spritzig: Giovanni Romeo, Bassbariton aus Milano, sang auch schon Sagrestano in Tosca, Dulcamara in L‘ elisir d‘ amore) zum Singen und Reden, er fordert die anderen auf, ihm zu folgen. Pong (Siniša Radin, Tenor aus Belgrad) und Pang (Mladen Prodan, Tenor, ebenso aus Belgrad) tun das und so bilden sie ein humoriges, aber auch manchmal nachdenkliches, für die Aufführung gewinnendes Trio! Der Mandarin (Maksim Vartazaryan aus Moskau/ Fang Yong Liang aus Shanghai) und der Principino di Persia (Fulvio Trapani) komplettieren die Künstlerriege.
Die Chorleiterin Sabina Arru hat wirklich GANZE ARBEIT geleistet, so exakt und spielfreudig hört man selten einen Chor in der Oper. Es ist ganz einfach hörbare Hingabe! In der Regie von Francesca Mazzilli, die früher selbst gesungen hat, entfalten sich die Künstler auch ganz natürlich, das muss man auch einmal konstatieren.
Orchester und Chor von Operaprima-Wien sind sehr gut abgestimmt und eingespielt, Maestro Tiziano Duca leitet und begleitet, ist künstlerischer Leiter und Dirigent des Abends, quasi Leib und Seele des Festivals. Akribisch liegt der Taktstock in seinen Händen, bewacht von wachsamen Augen, der Körper des Dirigenten, schwarz gewandet, folgt der Musik. Man könnte sagen, auf ihn trifft die Begebenheit sicherlich zu: „Avere la musica nel sangue“.
Der Spielort ist auch noch eine Klasse für sich: Die Villa Gradenigo Sabbatini, ein Landhaus im venezianischen Stil aus dem 18. Jahrhundert, von den Grafen Treo aus Udine erbaut und von der Familie Sabbatini gekauft, an Stefano Sabbatinis Frau, Gräfin Gradenigo vererbt. Der Komplex ist heute von kulturellem Interesse und katalogisiert worden. Ein persönlicher Eindruck des wundervollen Spielorts könnte sein: „Da draußen im duftigen Garten“ (O. Straus). Die Sitzgelegenheiten nahe der Bühne lassen das Orchester, die Energie und die Ästhetik der Umgebung zur Geltung kommen.
Ein Besuch hier ist in der Konklusion mehr als nur empfehlenswert.
Es gibt noch eine Vorstellung morgen, den 02. September 2025.
Mehr Informationen zu Operaprima-Wien: https://www.operaprimawien.com/