Theater: Paulus Mankers „ALMA – A Show biz ans Ende“ in der Roigkhalle Wr. Neustadt/NÖ

Mankers Polydrama (verfasst mit Joshua Sobol) geht in eine weitere Spielsaison. Das Kultstück zum Anfassen. Oft kann man sich nichts darunter vorstellen, was es heißt: Die Zuschauer sitzen nicht dauerhaft auf einem Sitz, sondern mittendrin im Geschehen. Willkommen in einer anderen Welt! Vorsicht: Alma ist nicht unbedingt eine Dame für schwache Nerven!

In der riesigen Halle erwartet den Besucher schon einmal mystisches Flair. Hat man den Weg bis zur Halle geschafft, wartet ein Zirkuswagen und weiter vorne entdeckt man eine künstliche Rauchwolke. Etwas eigenartig mutet der Empfang doch an. Wird man von der 135-jährigen Alma (Jutta Hoffmann) auf einer großen Eisenbahn-Draisine begrüßt. „Willkommen zu meiner Party!“. Es ist dunkel und es riecht süßlich. Dann kann der geneigte Besucher auch schon Almas vieler Liebhaber ansichtig werden. Die Besucher stehen um die Draisine herum, bewegen sich frei und sehen Alma zu. Zu Almas geliebten Herren zählen Gustav Mahler, Gustav Klimt, Alexander von Zemlinsky, Oskar Kokoschka, Walter Gropius und Franz Werfel. Die freimütige Dame wird als junge Frau verkörpert von gleich drei Frauen. (Anna Franziska Srna, Veronika Glatzner, Katja Sallay).

Man kann sich nach der Eröffnungsszene aussuchen, welchem Charakter man in welches Zimmer folgt. Auf zwei Stockwerken wird gespielt, man kann eine Wendeltreppe nehmen oder verschiedene Türen öffnen. Denn man soll sich sein eigenes „Stück“ daraus machen, ein Charakter führt einen durch Almas Leben. Zunächst hat man vielleicht den Eindruck, man müsse der „richtigen“ Alma folgen. Aber es sind alle drei die „richtigen“ Almas.

In den eigens adaptierten Zimmern in der Halle spielt sich schließlich Almas dramatisches Leben ab. Es wird 4 Stunden lang geliebt, gelitten, geschrien, gestorben, gegessen, gefeiert, philosophiert.

Die Requisiten sind einmalig für dieses Stück: Die Studierzimmer, das Schlafzimmer mit Gustav Mahlers Bett, nicht zuletzt die Küche mit warmen, echten Speisen, an denen sich die Besucher erfreuen können. Reserl, das Zimmermädchen, kocht Suppe und stellt diese im Spiel auf den Tisch. Die Besucher können essen. Abgerundet wird das Bild der Küche durch weitere echte Lebensmittel und Gustav Mahlers einzige Speise, nämlich Graham-Brot mit Äpfeln. Immer wieder werden die Besucher eingebunden („Haben Sie Dantes Göttliche Komödie gelesen?“). Es wird aber nicht wirklich eine Antwort erwartet.

Überall werden Sitzgelegenheiten angeboten, die Darsteller laufen durch die Menge, es wird schon einmal da ein Apfel zerquetscht (Alma in Rage), dort Gustav Mahlers Potenz diskutiert („Er verlor alle Kraft und schämte sich.“), ein Bild aus der Staffelei gerissen (Kokoschka preist sein Meisterwerk).

Als Ende des ersten Teiles folgt Mahlers Begräbnis. In der großen Halle riecht es wieder nach Kerzen, es ist heiß und kalt zugleich. Mahlers Sarg wird hereingebracht, die Besucher können sich dem Leichenzug anschließen oder stehenbleiben. Schließlich entflammen an der Wand der Halle die Buchstaben M-A-H-L-E-R. Eine Interpretationsmöglichkeit wäre hier ein Krematorium oder das sinnbildliche Verbrennen von Mahlers Genie.

Und es öffnet sich die Wand zum „Leichenschmaus“ (im Stück). Tische sind gedeckt, ein warmes Buffet erwartet die Besucher. Um diese nach dem Essen wieder zum Stück zu animieren, kommen Reisende inklusive Alma in die nun umfunktionierte „Bahnhofs-Halle“, steigen mitunter auf die Tische oder setzen sich zu den Gästen und fordern diese auf, in ein bestimmtes Land zu reisen.

Am Schluss versammeln sich alle Besucher wieder am Ausgangspunkt des Stückes. Kokoschka (gespielt von Manker), im Krieg verwundet, und immer noch brennend in Alma verliebt, lässt sich eine lebensgroße Puppe von ihr anfertigen. Reserl soll sie ihm dann beschreiben. Eigentlich will sie Kokoschka lieben, aber er versteht es nicht, selbst als sie sich splitterfasernackt an ihn schmiegt. Für ihn gibt es nur ALMA. In einer Orgie schließlich wird die Puppe zerrissen, der Kopf fällt ab, alles geht sehr schnell, die 135-jährige Alma lässt die Ereignisse Revue passieren.

Es wurde hier ein Land aus einer anderen Zeit geschaffen. Die Zuschauer können sich hineinversetzen, ja sogar die Schauspieler fast berühren. Ein völlig anderes Konzept als das gewöhnliche Theater eben. Man wird Zeitzeuge. ALMA-Zeuge.

-Martina Klinger-

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