Depressionen?! Das immer fröhliche Künstlerleben

Ach, die strahlenden Künstler! Und wir Publikum, die sie bewundern. Ist nicht der Vorhang, sind nicht die Lichter – Vorboten auf strahlende Gesichter? (M.K.)

Mit diesen einleitenden Zeilen soll deutlich gemacht werden, dass Menschen, die hauptberuflich unterhalten und/oder Veranstaltungen organisieren, ebenso wie die, die nicht im Rampenlicht stehen, an Verstimmungen leiden können. Verstimmungen, das sei eine milde Vorstufe, die sich in klinische Depression auswachsen kann.

Die zwei Köpfe der Künstler

Warum werden jetzt in Bezug auf die Stimmung die Bühnenmenschen in den Fokus gerückt? Weil man ihnen, generell gesehen, immer ein helles Gemüt und das berühmte „Immer-Gut-Drauf-Sein“ attestiert. Dabei darf man nicht vergessen, dass dies zu ihrem Handwerkszeug, ihrem Erlernten, dazugehört. Und das Bühnenlächeln innerhalb von Rollen nicht mit dem privaten verwechseln. Wenn man so will, trägt jeder Bühnenmensch einen „Januskopf“, so wie dieser viel zitiert wurde. Janus ist in der römischen Mythologie (hat keine Entsprechung in der griechischen) der Gott von Anfang und Ende. Das Adjektiv „janusköpfig“ bezeichnet etwas „sich von zwei verschiedenen Seiten zeigend“. Vorne die Seite für die Bühne, hinten die private Seite. Vorne: „Wie lege ich jetzt die und die Szene an?“ Hinten: „Wie fühlt es sich heute wieder an, im Regen nach Hause zu gehen?“ Wie diese Seiten aussehen mögen, ist auch immer von der Persönlichkeit der Künstler geprägt.

Oft zitiert wird, dass besonders Komödianten sich, steigen sie hinab ins Dunkle fernab der Bühnenscheinwerfer, in einem ganz anderen Licht präsentieren. Ernst, fokussiert, nachdenklich. Kein Grinsen kommt über ihre Züge. So manche Doyenne eines Theaters will sich nach der Komödie nur noch hinlegen, keinen Menschen sehen, nicht reden, nur ruhen.

Ruhe, Stille, Einkehr

Stille: Das überhaupt zentrale Element! Hat man sich in der Vorstellung verausgabt, ist sie vonnöten. Stille hat nach den zahlreichen audiovisuellen Elementen, der die Bühnendarsteller ausgesetzt sind, einen ganz besonderen Stellenwert. Einige Opernsänger berichten, dass bei ihnen zu Hause gar nicht über Musik gesprochen wird. Sie schweigen viel vor Aufführungen. Schweigen hat dabei nicht nur den Zweck der Stimmhygiene, sondern ist auch der psychischen Hygiene zuträglich.

Sprichwörtlich braucht ein Künstler die Bühne, den Auftritt wie den „Bissen Brot“. Was aber, wenn die Vorstellung vorbei ist, der Applaus verklungen ist? Dies bedürfte einmal einer neuropsychologischen Untersuchung – was spielt sich in den einzelnen Hirnarealen genau ab?

Das Paradoxe an dem beschriebenen Phänomen dürfte ja sein, dass Besucher, die gerade in einem traurigen Zustand sich befinden, ins Theater, in den Musiksaal kommen, um sich in die andere Welt zu versetzen. Der Künstler auf der Bühne über dem Zuschauerraum kommt von zu Hause, aus seinem seinerseits traurigen Zustand im Privaten. Den Zustand muss er in der Garderobe abgeben, so wie die Ereignisse, die vor Stückbeginn bei ihm zu Hause, auf dem Weg hierher geschehen sind. Auf der Bühne die leichteste Komödie, beschwingtes Lachen, eine atemlose Pointenjagd.

Beispiel Max(i) Böhm

Max(i) Böhm (1916-1982), der herausragende Theatermann, eine „Komödie“ auf zwei Beinen, war ein solches Beispiel, der die Menschen immer glücklich machen musste und wollte. Selbst nach privaten Schicksalsschlägen wie der schweren Erkrankung und Tod seines jüngeren Bruders, Unfalltod seiner Tochter und dem Freitod seines Sohnes innerhalb von zwei Jahren stand er täglich auf der Bühne. Vorstellungsfreie Tage? Kannte er nicht. Für ihn: Rettung und Arbeit zugleich. Böhm nahm Antidepressiva, kaum zu glauben, wenn man ihn auf der Bühne erlebte. Kurz vor seinem Tod durch Herzinfarkt zu Weihnachten 1982 ließ er seinen Regisseur wissen, dass ihm „alles zu viel sei“. Sogar dachte er daran, die Rolle abzugeben. Die letzten hymnischen Kritiken seines Lebens erntete er durch die Rolle des Theaterdirektors im „Raub der Sabinerinnen“. Doch eben, hier wieder zurück zum „doppelten Ich“. Nur erahnbar ist, was sich hinter den Kulissen abspielt.

Die Depression kann man nicht sehen. Sie kann viele Formen annehmen, sich verstecken hinter schmalem oder breitem Lachen, zu Schlitzen verengten oder wachen Augen. Die Antriebslosigkeit hinter verschlossenen Türen kann verschleiert sein.

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