Sie flattert – aber nur mit einem Flügel! So kann man das schnell umschreiben. Die Wiener Staatsoper zeigt ihre traditionelle Aufführungsserie der Strauss’schen (ja, mit drei „s“) Fledermaus. Silvester und Neujahr stehen im Zeichen dieser Operette (auf der Homepage der Wiener Staatsoper jedoch fälschlicherweise als Oper betitelt). Die Geschichte ist recht bekannt: Der eigentlich für eine Haftstrafe bestellte Gatte erkennt seine eigene Frau auf dem Fest eines russischen Prinzen (eine Dame in einer Hosenrolle), die sich maskiert als Ungarin ausgibt (inklusive großem Csárdás, für den viele Interpretinnen Energie-Drinks benötigen), nicht. Beider Stubenmädchen will sich als große Dame sehen und besucht ebenso unter einem Vorwand das Fest. Auch sie erkennt der Herr am Anfang nicht, was sie mit ihrer bekannten Arie „Mein Herr Marquis“ zum Ausdruck bringt. Am Ende hat’s – na, wer – „Champagner verschuldet, was wir heut‘ erduldet“. Ins Gefängnis muss der „Edelmann“ trotzdem. Und von Erdulden kann man bei dieser Version durchaus sprechen.
Das Staatsopernpublikum bekommt eine sehr laue und „plätschernde“ Aufführung zu sehen und zu hören. Natürlich ist die Inszenierung von Altmeister Otto Schenk immer noch verlässlich und leistet ihre Dienste. Auf den Möbeln (Bühne von Günther Schneider-Siemssen), die Adele, das Stubenmädchen, zu putzen hat, lagert immer noch der fünfzigjährige Theaterstaub. Aber innerhalb der Kulissen, vor allem in stimmlicher Hinsicht, verändert sich doch einiges.
Vorab ist eine Frage zu stellen: Wie kann man eigentlich – bis auf wenige Ausnahmen – so wenig Gefühl für diesen Klassiker in der Besetzung und auch in der Art der Durchführung zeigen? Georg Nigl als Eisenstein hat komische Momente, lässt seine Stimme oft kippen, aber ist gesamt gesehen mit der Rolle überfordert. Es ist nicht „seines“. Immerhin bringt er das typisch Wienerische und leicht „Verschlagene oder Grätzn-Hafte“ mit, das Hulkar Sabirova für ihre Rosalinde gänzlich vermissen lässt. Man versteht sie auch leider nicht. Sie ist mehr der Typus Operndiva als eben eine Rosalinde. Sabirova sprang in „letzter Minute“ für Hanna-Elisabeth Müller ein. Aber dies ist keine „Ausrede“ für die Rollengestaltung.
Man getraut sich das festzustellen, da man wirklich schon Besetzungen dieses Werkes gesehen hat, die einen vom Sessel aufspringen lassen wollten, im positiven Sinn. Die Adele der Ilia Staple ist hervorzuheben, da man die Bemühungen um eine gute Rollengestaltung merkt. Staple ist präsent. Gemeinsam mit Hanna-Theres Weigl als Ida bilden sie ein nettes Duo. Weniger wiederum kann Präsenz dem Orlofsky der Daria Sushkova nachgesagt werden. Sie hat den hier klaren Vorteil eines Akzents, aber im übrigen Bereich wirkt sie blass. „Ich lade gern mir Gäste ein“, nimmt man ihr kaum ab. Bei Jörg Schneider als Liebhaber und Gesangslehrer Alfred passt ziemlich alles – an manchen Stellen wirkt er verkleidet skurril, stimmlich ist ihm nichts nachzusagen.
Clemens Unterreiner ist in seiner Schon-Paraderolle Dr. Falke, die er bereits unzählige Male verkörpert hat, charmant, Handlungstreiber und nobel im Hintergrund. Ein waschechter Italiener aus Bologna, Andrea Giovannini, wurde in die Rolle des Dr. Blind „gesteckt“. Prego! Er ist woanders so viel besser aufgehoben! Schließlich kommt man nicht umhin, nebst einem recht soliden Wolfgang Bankl als Gefängnisdirektor Frank einen „Erzkomödianten“ zu besprechen, der Österreichs Kabarettszene prägt: Michael Niavarani. Nun hat er auch die Staatsopernbühne betreten und auf einmal ist nicht mehr des „Froscherl“ do, sondern ein Kröterich mit Muskeln. Nicht mehr so derb, mit Scherzen, die in die Zeit passen. Auffällig auch: viel weniger „besoffen“, als eigentlich rollentypisch. Wobei es da gefährlich große Fußstapfen eines Thaddäus Podgorski oder Helmuth Lohner gibt.
Bertrand de Billy steht am Pult des Staatsopernorchesters, sehr leichtfüßig gerät die Musik diesmal nicht. Ein schwerer Schleier, so wie Rosalinde einmal sagt: „Mein Schmerz wird ungeheuer.“