Die österreichische Kultur- und Literaturlandschaft trauert um einen bedeutenden Mann. Der Schauspieler, Autor, Regisseur und italophile Genussmensch Gerhard Tötschinger, immer bekannt als vielseitig interessierter und belesener Mensch, ist im Alter von (nur) 70 Jahren an den Folgen einer Lungenembolie gestorben.
Erst im Juni dieses Jahres hatte der umtriebige Wiener noch seinen 70. Geburtstag mit seiner Familie und seinen Freunden in Schönbrunn und im Wiener Arsenal gefeiert. Mit historischen Bussen fuhr man auf große Geburtstagsfahrt. Er selber „hätte lieber seine Ruhe gehabt“, aber die langjährige Lebenspartnerin, die große Christiane Hörbiger, hatte diese Überraschung schon parat. Seit über 30 Jahren in wilder Ehe zusammenlebend, hätten die beiden angeblich auch heuer den Bund der Ehe schließen wollen.
Leider kann Tötschinger nun auch nicht mehr seinen geplanten Geburtstagsabend im Radiokulturhaus in Wien im September begehen, leider kann er nicht mehr in sein geliebtes Venedig reisen. Man muss wissen, dass der in Wien geborene leidenschaftliche Historiker und Kulturschaffende sehr italophil war. Venedig war so etwas wie die zweite Heimat für ihn. Immer, wenn ihm als arrivierten Herrn die Gondolieri zuriefen: „Wollen Sie nicht Gondel fahren?“ entgegnete er, mit der Zeitung „Il Gazzettino“ in der Hand: „Alter, ich bin Venezianer!“ Ihnen blieb der Mund offen stehen.
Der Mund offen blieb auch so manchem Zuhörer von Tötschingers fesselnden Lesungen. Er schrieb bei „seinem“ Verlag Amalthea sehr umfassende Werke wie „Mörderisches Venedig – Die dunkle Seite der Serenissima“, „Venedig für Fortgeschrittene – Bon di, Venezia cara“, „Viva l´Italia – Erlebtes, Erdachtes, Erlesenes“, Die Donau – Geschichte und Geschichten vom großen Strom“, „Sherlock Holmes und das Geheimnis von Mayerling“. Anhand dieser Buchtitel kann man sehen, dass er sich sehr mit der Geschichte Österreichs und auch der Beschaffenheit Venedigs auseinandersetzte.
Seine Theatertätigkeiten wurden von seinen Studien der Theaterwissenschaften und der Kunstgeschichte geprägt, die er später abbrach, um etwa bei Zdenko Kestranek sich dem Schauspielunterricht zu widmen. Er stand auch bis 2001 den Sommerspielen Perchtoldsdorf vor. Er wurde auch Mitglied im Fernseh-Publikumsrat des ORF und auf ORF III lief seine Sendung „Heureka“, wo er philosophierend und mit einem Augenzwinkern dem Publikum Erfindungen näherbrachte. „Ich bin seit vielen Jahren bemüht, mit meinen Büchern, Inszenierungen, Vorträgen und Fernsehsendungen G´scheites und Anspruchsvolles unter die Menschen zu bringen“, so sagte er einmal.
Er packte vieles an, war ein hochgebildeter, und sehr bescheidener, witziger Mensch. Als er 2009 auf Grund einer Blutvergiftung ein Bein durch Amputation verlor, scherzte er: „Jetzt kostet die Pediküre nur noch die Hälfte“.
Vieles hätte Gerhard Tötschinger noch vorgehabt, etwa hatte er Pläne über weitere Fernsehsendungen, wo er die Spuren der k. u. k. Monarchie in Venedig verfolgen wollte. Leider kommt es dazu nicht mehr.
Ruhen Sie sanft, lieber Gerhard Tötschinger.