Higgins im Loft, Eliza in der U-Bahn, Mörbisch im Blumenmeer: My Fair Lady – das Musical 2024

Bei den Seefestspielen Mörbisch hat seit einigen Jahren das Musical Einzug gehalten, und dies überaus erfolgreich. Es gibt folglich keinen „Einzugsmarsch“ aus dem „Zigeunerbaron“ mehr zu hören. Vielmehr wird im Jahr 2024 London anno 2020 auf die Bühne gestellt.

Generalintendant Alfons Haider enthüllte mit seinem Team bei der Pressekonferenz im Wiener Hotel Marriott Details zur Produktion. My Fair Lady wartet nicht nur mit einem modern-spektakulären Bühnenbild, sondern auch mit zusätzlicher Musik und „respektvoller Modernisierung“ auf. Dabei gibt es eine lange Geschichte Wiens mit diesem Stoff: 1913 erfolgte die Uraufführung des Grundstoffes „Pygmalion“ von G.B. Shaw im Wiener (Hof-)Burgtheater, wie Haider erzählte.

Frei angenähert könnte man sagen, Do a little, do a lot oder: Über die Wichtigkeit der Hochsprache und die damit verbundenen sozialen Aufstiegsmöglichkeiten.

Eliza Doolittle wird in dieser Produktion keine Veilchen verkaufen, wie das noch 2009 in Mörbisch der Fall war, sondern Rosen. Sie wird auch „rockiger“ in der Außenpräsentation, trägt grünes Haar und Tätowierungen. Außerdem fährt sie gleich zu Beginn des Stückes U-Bahn. Henry Higgins hortet keine antiquarischen Bücher über die Phonetik mehr und bläst diesen sozusagen den Staub vom Buchrücken, sondern bewohnt 2020 ein modernes Loft und lässt sich in der Kommunikation mit Frauen durch KI (Künstliche Intelligenz) unterstützen. Mrs. Higgins ist eine gelungene Mischung aus mütterlicher Schärfe und ladyliker Erscheinung. Und Alfred P. Doolittle? Muss man ihn immer noch rechtzeitig zur Kirche bringen oder denkt er mittlerweile anders über die Ehe? Er, das Herz am rechten Fleck, aber dennoch ein „Haudrauf“, wird sich aufs Neue beweisen.

Der Hauptcast (Alfons Haider verspricht die jüngste Besetzung „ever“ für Eliza und Higgins) beinhaltet einen Shooting Star der Musicalszene, Anna Rosa Döller als Eliza, die bereits im Vorjahr mit der Interpretation der Sophie aus „Mamma Mia“ am Neusiedler See begeisterte. Der Routinier des Genres, Mark Seibert (etwa der „Tod“ in Elisabeth) gibt den Higgins (für den Haider keinen 65-jährigen Kammerschauspieler engagieren wollte, der nicht singen, sondern nur sprechen kann). Marika Lichter, erfahrene Darstellerin, Komödiantin und Managerin, wird die Rolle der Mrs. Higgins übernehmen. Scherzhaft sagte sie während der Präsentation zu Haider: „Ich bin teuer, aber Du wolltest mir wenig geben, und ich wollte die Rolle unbedingt!“ Herbert Steinböck als Alfred P. Doolittle wird mit dem Wiener Dialekt auf der Bühne keine Probleme haben, versicherte er. Er sei ohnehin hier, um Laufschuhe anzuziehen und während der Spielzeit Kilos zu verlieren. Seine Rolle sei eben eine der bewegungsintensivsten in diesem Sommer. Seine Bühnentochter Döller hatte Steinböck eben erst kennengelernt und war schon positiv gestimmt: „Wir werden uns sehr gut verstehen!“ In der Rolle des Freddy (Eynsford-Hill) tritt Dominik Hees (nach vorjähriger überwundener, schwerer Krankheit) auf.

Warum nun zusätzliche Musik? Ganz einfach, weil die Bühne so groß ist, und die gegenständlich vorhandenen Noten nicht ausreichen würden, bis die Darstellerinnen und Darsteller von A nach B gelangt sind.

Walter Vogelweider, Bühnenbildner, dem Chefs vertrauen, stellt ein gigantisches London auf die Stage am Neusiedler See – pardon, an der Themse. Der See schlüpft heuer in diese Rolle. Es gibt Wasserspiele – eine wichtige Info! Links die moderne Skyline, wo sich auch das Wasser spiegelt, rechts Old London, in der Mitte ein Pub („The Sign of a Great Pint“), Mrs. Higgins‘ Haus im viktorianischen Stil mit ein paar herausgebrochenen Fenstern, die U-Bahn mit Videowänden, 16 Meter links und rechts. Auch die Übertragung eines Pferderennens ist geplant. Ein 25 Meter hoher Big Ben darf auch nicht fehlen.

Die Regie und die Choreographie von My Fair Lady – das Musical liegen diesmal in einer Hand, somehow praktisch, wie Simon Eichenberger selbst bemerkte. Michael Schnack übernimmt die musikalische Leitung, und somit die des 30-köpfigen Orchesters.

Ein Blumenmeer wie im Paradies wird im Grand Final versprochen. Die Kostüme von Claudio Pohle bleiben weitgehend am klassischen Bild angelehnt, besonders in Ascot erinnern sie ein wenig – wenn auch nicht schnörkelig – an die Mörbischer Produktion von 2009 (mit Michael Maertens und Nadine Zeintl in den Hauptrollen).

Für die allzu deutlich spürbare (in der Kostprobe von Döller, die die beiden Nummern „Wart’s nur ab, Henry Higgins!“ und „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“ umfasste, Musik von Frederik Loewe) Modernisierung mit nahezu poppigen Klängen, die laut Haider durchaus das junge Publikum mehr ansprechen sollen, zeichnen Johannes Glück und Christian Frank verantwortlich. Jüngere Leute sollten sagen: „Coole Musik!“ und die reiferen, die den Stoff von vielen Inszenierungen früher kennen, sollten meinen „Das Stück kenne ich doch!“. Die anvisierte Besucherzahl lautet 120.000, um wirtschaften zu können. Rund 87.000 verkaufte und 44.000 reservierte Karten sind schon zu verzeichnen.

Wie sieht es denn mit der Marke Mörbisch aktuell aus?

2023 beauftragten die Festspiele das Unternehmen marketmind mit einer Marktforschung zum Thema „Gesamterlebnis Mörbisch“.

Laut den Erkenntnissen von marketmind, die im Rahmen der Pressekonferenz von Geschäftsführerin Dr. Verena Priemer präsentiert wurden, spielen beim „Mörbisch‐Erlebnis“ das Bühnenbild, das Ambiente am Neusiedler See und die KünstlerInnen die Hauptrollen.

Der Gesamteindruck der BesucherInnen von den Seefestspielen Mörbisch liegt seit vielen Jahren stabil auf dem hervorragenden Mittelwert von 1,4 auf der Schulnotenskala. Die Bewertung von „Mamma Mia!“ im letzten Jahr erreichte sogar einen Mittelwert von 1,3. Und das Publikum traut den Seefestspielen das Genre Musical absolut zu. 61% der befragten BesucherInnen bewerten die Kompetenz und Glaubwürdigkeit der Seefestspiele mit sehr hoch, weitere 27% mit hoch ‐ im Jahr 2021 waren es noch 26% bzw. 24%. Die beiden letzten Musical‐Saisonen mit „Der König und ich“ und „Mamma Mia!“ waren offensichtlich überzeugend.
Das äußert sich auch in der Wiederbesuchsabsicht: 61% der befragten ErstbesucherInnen und 85% der StammbesucherInnen werden die Seefestspiele in den nächsten drei Jahren wieder besuchen (mit einer Wahrscheinlichkeit von 80‐100%).

Bevorzugt werden Stücke mit Ohrwürmern und Happy End. Dieses ist für My Fair Lady absolut zutreffend. It is going to be very modern!

Seefestspiele Mörbisch 2024

„My Fair Lady – das Musical“

mit Anna Rosa Döller, Mark Seibert, Marika Lichter, Herbert Steinböck u.v.m.

von 11. Juli bis 17. August

Karten gibt es telefonisch und online unter http://www.seefestspiele.at

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