Unser aller Tenor, Jonas Kaufmann, ist wieder in alter Stimmstärke zurück. Wenn auch manche Kritiker meinen mögen, er hätte eingebüßt: Er zeigt es wieder (uns) allen mit einer Aufnahme von Gustav Mahlers symphonischem Liederzyklus „Das Lied von der Erde“.
Sieben Gedichte aus der Sammlung Die chinesische Flöte von Dichter Hans Bethge wurden von Gustav Mahler vertont und insgesamt sechs Teile erarbeitet:
Der Einsame im Herbst
Von der Jugend
Das Trinklied vom Jammer der Erde
Von der Schönheit
Der Trunkene im Frühling
Der Abschied
Nun, man glaubt es Kaufmann in seiner unnachahmlichen Spielart und Singkompetenz, dass er auch „Gefühle beim Erwachen aus einem Rausch an einem Frühlingstag“, glaubhaft vermitteln kann. Berauscht ist aber nicht er selbst, sondern nur das (virtuelle) Publikum, das sich sein Timbre anhört. Alle sechs Partien singt er in dieser Aufnahme, die er gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern unter Jonathan Nott bestreitet. Auch in die Alt- und Baritonlage schwingt er seine hoch flexible Stimme, und stellt so auch gleichzeitig seinen Ehrgeiz unter Beweis, dies geschieht auf eindrucksvolle Weise. Seine berührenden Interpretationen sind schon immer bekannt gewesen, aber mit der neuesten Aufnahme beweist er wieder einen grandiosen stimmlichen Mut. Der „Guardian“ schreibt beispielsweise kaum nachvollziehbar von einem „real disappointment“, welches Kaufmann abgeliefert haben soll. Dem kann man auf keinen Fall zustimmen.
Jonathan Nott für seinen Fall begleitet die Stimme, er weiß auch genau, welche Passagen wie zu nehmen sind, manchmal ist er etwas schnell, dann wieder rafft er die Feinheiten des Dirigats zusammen.
Sicher mögen die Gedichte und Gesänge aus der Entstehungszeit heraus für unsere Ohren schon etwas fremdartig und antiquiert klingen – Jonas Kaufmann versteht es aber blendend, den Texten auch schon einmal eine erklärbare Aktualität zu geben, und sie auch dahingehend zu interpretieren, dass genau das, worüber er singt und phrasiert, heute passiert sein könnte. Das ist zweifellos eine große Kunst. An dieser Stelle also eine Lobeshymne für den aufgebrachten Mut, die Feinheit, und die Ausdrucksstärke, mit der „unser“ Super-Tenor wieder an die Sache herangeht!
Information:
Gustav Mahler, Das Lied von der Erde
Gesang: Jonas Kaufmann
Dirigent: Jonathan Nott
Orchester: Wiener Philharmoniker
Label: Sony Classical
Release: 07. April 2017