„Eisenstadt“, setzt ein dunkel gewandeter Herr mit eindringlicher Stimme an. Eine simple Ortsangabe, doch alles hört zu. Die Mission ist klar: Die Leute dort abholen, wo sie stehen (und sitzen!). Und genau da tuscheln in den hinteren Reihen Zuschauer: „Das ist dieser Schauspieler….“. Das sorgt für einen heiteren Moment. Derer gibt es bei dieser Veranstaltung einige.
Und siehe da: Am Klavier sieht man auch einen Spieler – in biedere Streifen gehüllt (was, wie man erfährt, seinen Grund hat) – sitzen. Dann wird die Zeitmaschine betätigt: Man versetzt sich ganz schön weit zurück, in die Zeit von Haydn und die des Jahresregenten 2020, Beethoven. Geneckt und „gehasst“ haben sie sich, aber nicht für lange. Da konnte es vorkommen, dass der wenig schmeichelhafte Spitzname „Mehlschöberl“ fiel. Das klingt natürlich humoristischer als die rohrstock-artig gestrenge Definition: „Rasch und heiß gebackene Suppeneinlage der österreichischen Küche“. Fast schon enttäuscht ist man, als der großartige Pianist enthüllt, dass es sich bei den beiden Herren auf der Bühne nicht um Johann Nepomuk Hummel (darum die Streifen), den Hofkapellmeister von Esterházy, und Fürst Nikolaus II Esterházy (de Galantha) höchstselbst handelt.
Die beiden Ausführenden, die den Abend tragen, sind Pianist Paul Gulda und Schauspieler Michael Dangl. Sie gestalten und erzählen die gemeinsame, verwobene Geschichte Haydns und Beethovens unter dem Titel „Haydns bester Schüler“. Das ausverkaufte Konzert dauerte etwas länger als geplant. Aber wie Gulda erwähnte, könnte man allein über dieses Thema zwei Semester Musikwissenschaft studieren, und man war bestrebt, es an einem Abend dem Publikum näherzubringen.
Haydn lebte bekanntlich von 1732 bis 1809 und wurde als talentierter Chorknabe entdeckt. Beethovens Zeit war von 1770 bis 1827. „Er“ vermag aber noch viel mehr, als nur durch seine spätere Taubheit und seine Mondscheinsonate heutige Musikbegeisterte zu berühren. Die Veranstaltung unter dem Titel „Haydns bester Schüler“ weist auf das Schüler-Lehrer-Verhältnis hin, denn tatsächlich trennte die beiden eine ganze Generation.
Die Ingredienzien sind teils aus dem damaligen Alltag gegriffen – Kopfschmerzen, Erholung, Wein, Liebschaft, Diskussionen über die Qualität des Essens (zäher Rostbraten), Genuss – und liegen ebenso im Geistigen und Musikalischen.
Dangl erzählt, dass von Beethovens Musik anfangs abgeraten wurde! Und nicht auf die feine Art! Heute: Nicht mehr vorstellbar!
Trios von Haydn – exzellent, um sich einfach gehen zu lassen (als Zuhörer). Als Spieler, so wie der extrem eifrige Gulda, muss man sich nicht nur konzentrieren, sondern auch mit voller Kraft agieren. Schon allein die Mimik des Mannes spricht Bände. Auch er schlüpft zeitweilig in die Rolle des (musikalischen) Ankünders der Werke, ebenso launig wie lebhaft. Er bewältigt diese nicht alleine: Violine und Violoncello gesellen sich zu ihm. Klänge voller Harmonie!
Michael Dangls seelenvolle Rezitation von Briefen zwischen den Zeitgenossen sowie an geliebte Damen (Maria Josepha Hermengilde Esterházy de Galantha) sorgt für ein nachdenklich – resümierendes Zeitdokument. Der Schauspieler zeigt nicht nur seine Phrasierungskünste, sondern beweist während Klaviermärschen für vier Hände auch Ausdauer im aktiven – und statuenhaften – Zuhören. Zwischendurch sieht man seine Finger mitwippen, nur um sich in der nächsten Minute wieder in seliger Berieselung zu senken.
Als Vertreterin geistlicher Lieder, welche mehrheitlich von Haydn komponiert wurden, tritt Agnes Palmisano auf. Hier merkt man bisweilen recht schrille Ansätze in der Stimme, wobei das Gesamtbild doch ausgeglichen bleibt.
Später wird sie mit den Begleitern des musikalischen Abends noch „Dim, dim is my eye“, op. 108 von Beethoven aus „25 schottische Lieder mit Begleitung von Pianoforte, Violine und Violoncello“ singen. Warum Beethoven in Schottland und England? Sehr einfach erklärt: es handelt sich um eine einträgliche Auftragsarbeit! Die deutsche Übersetzung existiert hierzu von Ferdinand Möhring: „Trüb, trüb ist mein Auge“.
Alle zusammen – auch das Publikum – singen dann den Klassiker „Auld lang Syne“ (sinngemäß: längst vergangene Zeit), klug gewählt und ein schöner Abschluss eines wahrlich auf hohem Niveau gehaltenen Abends.



von links nach rechts: Agnes Palmisano, Michael Dangl, Paul Gulda, Innenhof des Schlosses Esterházy