Der „Geschichtenerzähler“ hat sein Buch zugeschlagen – Auf Wiedersehen, Erich Schleyer (1940 – 2021)

Erich Schleyer ist tot

Der in Dresden geborene kultige „Geschichtenerzähler“ (so betitelte er auch selbst eines seiner Programme) Schauspieler Erich Schleyer ist 81-jährig verstorben. Sein Geburtstagsfest unter dem Motto „Mit 80 wird nichts mehr verschleyert“ hat er noch im MuTh Wien begangen.

Als Kind hat Erich Schleyer sehr oft Hunger gelitten, was sich im Berufswunsch „Koch“ manifestiert hat. Aber er ist dann doch kein Koch geworden, doch, vielleicht gewissermaßen. Er hat sich seine Anekdoten, Geschichten und Erzählungen wie Zutaten zusammengestellt, sie in einen Kessel geworfen und erhitzt, umgerührt, eine Prise Wahrheit, Klarheit und Sentimentalität hinzugefügt. Vom Humor hat er gar nicht zu viel nehmen können, das war so, als ob ihm der Streuer dafür entglitten und in den Kessel gefallen ist. Besonders die Kinder haben dann seine fertige und mit Liebe gekochte „Geschichtensuppe“ immer gerne gegessen.

Für den Österreichischen Rundfunk hat er Kindersendungen zusammengestellt, zum Beispiel „Erichs Chaos“ „Hallo, ich bin der Erich“, oder „Der schiefe Turm“. Er hat Bücher vorgestellt und rezensiert, wie zum Beispiel „Ringelrote Regenwürmer“.

Viele Kinder und Erwachsene jeden Alters haben den fast zwei Meter großen Mann ins Herz geschlossen. Haben immer andächtig und begeistert seiner eindrucksvollen Stimme gelauscht. Er hat immer Spielereien im Gepäck gehabt, ob bei einem Mysterienspiel oder bei Vorlesetagen.

Der Geschichtenerzähler, Menschenfreund und Theaterspieler

Erich Schleyer hat auch Theater gespielt. Er war Protagonist an Hans Gratzers Schauspielhaus in der „Rocky Horror Picture Show“ oder spielte am Theater in der Josefstadt in „Die Dreigroschenoper“, in den Kammerspielen „Eine Liebe im Herbst“, oder am Volkstheater Wien im „Ratgeber für den intelligenten Homosexuellen zu Kapitalismus und Sozialismus mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“. Er ist mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet worden und 2011 hat er den Berufstitel „Professor“ bekommen.

Mit seinen Musikerfreunden von SainMus – Clemens Sainitzer und Philipp Erasmus, hat er in den letzten Jahren immer wieder begeistert Programme gestaltet und vorgelesen – wie etwa hier berichtet: Erich Schleyer – Sehr verschleyerte Märchen für Erwachsene: Brutalität, Erotik, Aktualität/ Wiener Lustspielhaus.

Der Geschichtenerzähler hat nun eine andere Welt betreten und wird mit großer Wahrscheinlichkeit dort seine Geschichten weitererzählen. Hoffentlich mit genauso begeisterten Zuhörern und Zuhörerinnen wie auf der Erde.

Eine Anekdote zum Schluss: Auch ich habe Erich Schleyer am Rande einer Theateraufführung kennen lernen dürfen. Er hat die – durchaus seltene – Gabe besessen, jemanden, den er noch nie im Leben gesehen hat, wie einen alten Freund zu behandeln. Im Halbdunkel hinter den geschlossenen Theatertüren, ist er, groß wie ein Schrank, gestanden und hat auf sein ebenso sehr großes Smartphone geschaut. Irgendwann hat er den Blick gehoben und hat dabei meinen gestreift, ich habe ihn mit seinem Namen begrüßt. Er hat mir sehr freundlich, mit blitzenden, großen, haselnussbraunen Augen die Hand hergestreckt und nach einem kurzen Gespräch über das Theater einen schönen Abend gewünscht. Das war ein herzlicher Eindruck.

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