Wiener Mädl und Chinesische Lebensart: „Das Land des Lächelns“ (F. Lehár) / Seefestspiele Mörbisch

Der Neusiedler See erlebt mit Lehárs Operette, die wie der künstlerische Leiter Peter Edelmann betont, nahezu eine Oper ist, eine niveauvolle Aufführung. Effekthascherei steht im Hintergrund: Die puristische Wirkung schöner Stimmen und ein Drache, der harmonisch das Geschehen anleitet, sind genug.

Alles läuft sehr stilvoll ab in der Regie von Leonard C. Prinsloo (bereits bekannt aus Bad Ischl) auf der Seebühne. Zuallererst sind da die edlen und wunderbar reduzierten Kostüme von Cristof Cremer. Der deutsche Kostümbildner hat sich wohl intensiv mit Farbenlehre beschäftigt. Nichts schreit oder sticht allzusehr hervor. Lisa trägt hochfeine Kleider, von gemustertem Chinaporzellan inspiriert, über eine violette Kombination mit Perlen bis hin zum dunkelblau-weißen Abreise-Kostüm. Prinz Sou-Chong trägt die Farben Schwarz und Gold. Nur einmal, als sein Schmerz sehr groß ist, darf er sich seiner Jacke entledigen. Prinzessin Mi trägt Violett-Pink und schließlich Weiß (in China die Farbe der Trauer?). Gustl bleibt traditionell wienerisch in Uniform, das Kostüm von Graf Lichtenfels erinnert sehr an die Aufführung von 2001 mit dem äußerst dekorativen grünen Federbusch.

Anfangs, als Lisa das Pferderennen gewinnt, wird sie effektvoll von der Gesellschaft angefeuert. Dabei schauen alle ins Publikum, und es ertönt das obligate künstliche Pferdegetrappel wie zum Beispiel schon 2009 bei My Fair Lady. Diesmal aber mit Ansage („Lisa Lichtenfels zieht an allen vorbei, die Nummer 7″) in Sportnachrichten-Manier. Sie gewinnt, muss sich vor ihrem Vater dann aber nochmal als Frau behaupten. In der Zeit der Uraufführung war es so. Das „Land des Lächelns“ hieß 1912 „Die gelbe Jacke“. Die Handlungsorte Wien und Peking wurden beibehalten, allerdings spielt der 1. Akt im Prater. Die „Drachenbahn“ winkt hier bunt, das Bühnenbild wurde von Walter Vogelweider gestaltet. Vieles ist drehbar, wirkt imposant, aber doch mit einer gewissen Noblesse, nicht grob. Der große Drache inklusive Stiege hat später seinen Auftritt. Seine Augen leuchten einmal blau. Zum Ende der Aufführung dann rot in die Finsternis. Ein toller Effekt, der keinesfalls übertrieben wirkt.

Elissa Huber (von der Wiener Volksoper) fühlt sich mit der Partie der Lisa Lichtenfels wohl. Sie spricht wunderbar. Stolz präsentiert sie stimmlich allerorten sichere Höhen, gibt das Wiener Mädel mit ihrem eigenen Charme. Ihre Entwicklung von der leicht Naiven, die von der exotischen Liebe träumt, bis zur Ernüchterten, schwer Verzweifelten, gibt sie überzeugend. Sie ist eine Idealbesetzung! Die nötige Frische bringt sie mit.

Won Whi Choi ist als Prinz Sou-Chong (nahezu perfektes Deutsch) stimmschön, wenngleich der Eindruck entsteht, dass er etwas „dunkel“ singt. Er verliebt sich sehr, sehr schnell in Lisa und widmet ihr den goldenen Buddha, den er später aus Wut zertrümmert (!). Große, weite Gesangsstrecken hat er zu bewältigen und macht seine Sache sehr gut. Er ging beim großen Sang Ho Choi in die Lehre, der 2001 den Sou-Chong auf der Seebühne sang. Der Hauptdarsteller agiert mit Strenge, wenn er Lisa in China halten will. Man ist schockiert von seiner Dramatik, die aber ganz subtil herüberkommt. Gewaltige Gesten braucht er gar nicht, um zu wirken. Schön! „Immer nur lächeln“ und „Dein ist mein ganzes Herz!“ sind bei ihm effektvolle, anrührende Momente. Und später: „Dein war mein ganzes Herz“, ist fast noch eine Spur anrührender.

Überhaupt passen die beiden Protagonisten stimmlich gut zueinander. Gustl (ursprünglich mit dem Zusatz „von Pottenstein“), der groß und mit ambitionierten Plänen verkörpert wird vom jugendlich-frischen und adretten Maximilian Mayer (Charakteristischer Ausspruch in der Aufführung: „Na bumsti!“) liebt Lisa auch. So sehr, dass er mit ihr nach Prein an der Rax ziehen will, inklusive fünf Kindern und zwei Jagdhunden. Doch das ist Lisa ein Gräuel! Schnell mit dem Prinzen nach China, nicht ohne Leidenschaft.

Leidenschaft, das versprüht auch jemand, der für die Bühne lebt. In China kommt Besuch vom Eunuch. OBER-Eunuch, wenn er bitten darf! Und dieser hat es (noch) faustdick hinter den Ohren. Ein ehrwürdig in Ultramarinblau-Rot – was eine gewagte Farbkombination – gekleideter Herr betritt die Bühne, umringt von Frauen, mit einem langen, grellen Zopf. Es ist KS Harald Serafin, der sich bei seinem großen Comeback in Mörbisch die Ehre gibt. Eine ungewöhnliche Rolle für einen außergewöhnlichen Menschen! Er nimmt die Bühne ein, die Stimme geht hoch. Sein extra gemeinsam mit Komödiant Felix Dvorak verfasstes Couplet hat als Grundmelodie – sofort erkannt: eine liebevoll recycelte Lehár-Melodie aus dem „Grafen von Luxemburg“, und zwar „Ich bin verliebt“ des Fürsten Basil. Da heißt es jetzt: Ich bin Eunuch – Obereunuch. Sehr erotisch (!) aufgeladen ist dann auch der Text („Es ruft der Sex in mir!“), wie man es sich gar nicht erwarten würde. Serafin ist sehr bemüht und konzentriert. „Sie alle jauchzen, wenn ich sie heiß betöre.“ Nun, das liegt wohl schon einige Zeit zurück. Die jugendliche Freude ist bei ihm (87) spürbar und er bekennt sich schließlich zu seiner Liebe, der Bühne. Auch der folgende Dialog mit Maximilian Mayer hat köstliche Stellen, war da nicht eine „sehrraffinierte“ Zeit? Auch ein Wortwitz aus der „Fledermaus“ (!) wird noch rasch eingebaut. Das antizipierte Wort mit „W“ fällt nicht.

Als Lisas gestrenger und doch über die Maßen liebender Vater Graf Lichtenfels tritt Benno Schollum auf. Er kann sich einige Male gut mit eleganter Erscheinung in Szene setzen und pflegt einen wienerischen Zungenschlag, leider hört man von ihm keinen Gesang.

Die Prinzessin Mi von Katerina von Bennigsen – eine höchst aktive – in der Personenführung des Australiers Leonard C. Prinsloo, lebenslustige Frau, hat einen eigenen Tanz zu „Im Salon zur blauen Pagode“. Sie ist erfrischend und trägt eine Manga-Perücke im Stil von (z.B.) Sailor Moon. Gesanglich ist sie ebenso sehr gut aufgestellt und mischt den ernsten Hof in China auf.

Die Rolle des Sekretärs Fu Li füllt Gernot Kranner mit beeindruckender Präsenz! Keine nackten Beine in China! Sehr streng. Als ebenso uneinsichtiger Onkel Tschang („Immer alles lang – sagt der alte Tschang“) ist der Japaner Koichi Okugawa (studierte in Japan und am Wagner Konservatorium Wien) zu hören.

Einen schwärmerischen Kurzauftritt legen drei junge Damen hin: Lore, Toni und Fini wollen von Prinz Sou-Chong wissen, wie man auf Chinesisch flirtet. Katharina Kovar, Ioanna Papaioannou und Olivia Pflegerl sorgen für einen Schmunzel-Moment.

Thomas Rösner als musikalischer Leiter spielt hier Franz Lehárs Feinheiten aus und wird schon manchmal opernhaft. Stellenweise hat man das Gefühl, es würde minimal hallen (vielleicht lag es am Ton?). Extra verbesserte Sound-Elemente auf dem riesigen Bogen über der Bühne (mit digitalen Lichtinstallationen von beispielsweise Apfelblüten) sorgen für noch größeres Hörvergnügen. Das obligatorische Feuerwerk zum Ende (es wird übrigens nicht Lisas Rückkehr nach Wien gezeigt, am Ende bleibt Sou-Chong verlassen zurück), ist noch eine Kirsche auf der Torte. Aber das Stück spricht eigentlich für sich. Sehr ästhetisch wurde es umgesetzt, ohne unnötigen Kitsch. Eine gute Idee auch, dass man auf digitalen Elementen die Darsteller zu Ende groß einblendet, damit sie auch beim Schlussapplaus gut sichtbar sind.

In China wird auch atemberaubende Luftakrobatik gezeigt, ebenso wie eine grandiose Hochzeitszeremonie für Sou Chong (den Lisa durchgehend nur Sou nennt) mit vier prächtig kostümierten Bräuten verschleiert und ganz in Rot.

Absolut sehenswert!

An dieser Stelle ein Lob für den künstlerischen Leiter Peter Edelmann, der wahrlich etwas von echter Operette versteht und für die Seefestspiele der Mann der Zukunft ist.

Die Seefestspiele Mörbisch mit „Das Land des Lächelns“ (romantische Operette in 3 Akten von F. Lehár)

Künstlerischer Direktor Peter Edelmann

Spieltermine: 11. Juli bis 24. August 2019, Do-Sa

http://www.seefestspiele.at

Hinterlasse einen Kommentar