Kulturpavillon-Kommentar: Mörbisch post Operette, ein fruchtbarer Nährboden des Musicals?!

Mörbisch, das einstige Operetten-„Mekka“, von einem geschäftstüchtigen wie sangesverständigen Prinzipal (Kammersänger Professor Harald Serafin) bis zum Jahre 2012 geführt, hat sich stark verändert. Daran besteht bei niemandem, der das Musiktheater verfolgt, mehr ein Zweifel. Man könnte konstatieren: „Früher war mehr Lametta.“ Will heißen, es bestand aus überschwänglichen Begrüßungen mit Verwechslungen von Namen der anwesenden (Premieren-)Gäste, pompösen Inszenierungen („Was kostet die Welt und wo hört sie auf?“), sowie einem in jeder sich bietenden Rolle auftretenden Intendanten. Es wurde eine Geschichte erzählt, die Menschen bekamen Ohrwürmer (das auch heute noch!) und eigentlich waren die handelnden Personen irgendwann auch in Seligkeit verschwommen und es umarmten sich am Ende alle. Gut, Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Inszenierung von „Wiener Blut“ von Maximilian Schell (2007) in karger Landschaft mit morbidem Wiener Schmäh und einem aggressiven Kutscher gefiel nicht jedem ausnahmslos. Ein imposantes Feuerwerk, das durfte nicht fehlen, egal ob Entenschreck oder nicht.

Nach der Ära des „Serafinismus“ stellten sich Kammersängerin Dagmar Schellenberger (2013 bis 2017) und Peter Edelmann, Bariton und Gesangspädagoge (2018 bis 2021) in der Funktion des Künstlerischen Direktors vor. Der Begriff Intendant sei zu absolutistisch, sollte nicht mehr vorkommen. Überdimensionale Elemente auf der Bühne, wie ein Kreuzfahrtschiff („Nacht in Venedig“) unter Schellenberger, eine Geige („Gräfin Mariza“), ein Drache („Das Land des Lächelns“) unter Edelmann begannen den Boden zu erobern. Gute Ideen, es gelang jedoch zu einem gewissen Prozentsatz (nicht), das Genre frisch und attraktiv für die Zukunft zu gestalten. Öfters kamen fragwürdige Besetzungen vor, die keine Interpreten des Genres im eigentlichen Sinne waren (Andreas Steppan in „Viktoria und ihr Husar“, mit einem Rückgriff auf die Serafin-Epoche auch Rainhard Fendrich als Oberkellner Leopold in „Im Weißen Rössl“).

Mit Alfons Haider, dem erfahrenen Veranstalter, Musicaldarsteller und Moderator vieler Rundfunk-Sendungen, weht als Künstlerischer Direktor ein ganz anderer Wind im Burgenland. Es kam das Musical, mit ihm ein sehr deutlicher Genre-Wechsel. Die Operette sollte also gänzlich verschwinden. „Dancing Queen“ von ABBA statt „Grisettentanz“ der Lustigen Witwe. Die Devise lautet: Schneller, lauter, dynamischer in jedem Sinne. Haider, daran besteht kein Zweifel, repräsentiert das Musical. Er steht für dieses Genre, so wie Serafin für die Operette stand. Klar ist: Die Operette hätte in der Form, wie sie gespielt wurde, in Mörbisch nicht überlebt. Viele Klischees könnten heute gar nicht mehr bedient werden, Political Correctness verbietet viele Phrasen und Begriffe. Die zugrunde liegende Originalität eines Werkes wird aber -im Musical- weiterhin zu bewahren sein, und wie angekündigt, steht 2024 My Fair Lady auf dem Spielplan stehen. Die Handlung spielt sich in der heutigen Zeit ab. Die Eliza trägt auf dem Sujet ihre Haare grün – vor ihrer Wandlung zum Mitglied der Londoner High Society. Wohl nicht zufällig ausgewählt. Einen Blumenkorb wird sie mutmaßlich nicht (mehr) tragen.

1 Comments

  1. Es bleibt spannend, wie erfolgreich und zum Teil auch innovativ in Mörbisch Musical gezeigt wird.
    Aber Theater war nie politisch korrekt. Und wenn es das werden will, ist es kein Theater mehr und schafft sich ab.

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